“Ich bin traurig.”
Die Trauer kriecht wie ein Wurm duch meinen Körper. Mein Herz scheint aufgerissen zu sein, mit jeder neuen Welle der Trauer verkrampft sich mein Magen. Gleichzeitig sind meine Augen staubtrocken. Zu viel habe ich schon geweint, zu erleichtert bin ich vom Laufen-lassen meiner Tränen. Dennoch scheint dieser Wurm stetig weiterzukriechen und zu wachsen.
Trauer _ mal stumm, mal laut; mal schwach, mal überwältigend; ihre Dimension: unsichtbar, ungreifbar, (un)endlich;
Die Trauer ist ein Gefühl neben vielen anderen, und dennoch wird ihr weniger Wert zugeschrieben als beispielsweise der Freude. Freude: immer her damit. Trauer: so weit weg wie möglich bitte. Von einem rein menschlichen Standpunkt ist das eine natürliche und allem voran legitime Sache. Denn wer zieht nicht die Freude diesem Wurm vor, der uns von innen aufzufressen droht? Wer strebt nicht nach diesem Ideal, das uns so erfolgreich als ein solches verkauft wird.
Dennoch ist es an der Zeit, der Trauer, der Wut, sowie allen anderen ungeliebten “Stiefschwestern” von Freude, Glück, Hoffnung und Zuversicht den Stellenwert einzuräumen, den sie verdienen. Es ist Zeit, sie alle auf eine Stufe zu heben und ihren Eigenschaften die Anerkennung zu geben, die es braucht. Denn auch die Trauer will gesehen, gefühlt und gelebt werden. Auch sie will und soll integriert werden.
Warum das wichtig ist, möchte ich dir anhand eines Beispiels erklären:
Johanna ist 32 Jahre alt. Vor einem halben Jahr wurde sie von ihrem Mann verlassen. Die beiden haben keine Kinder, somit war die Trennung weniger schlimm als die ihrer Freundin Claudia, die nun mit drei Kindern alleine dasitzt, bekommt Johanna zu hören. Oder die von Karl, der noch dazu krank ist. Sie soll sich also nicht so anstellen, sondern das positive an ihrer Situation sehen, wird ihr gesagt. Dass Johanna aber keine Erlaubnis dazu braucht um zu trauern, dass sie genauso traurig sein darf über ihre Situation, wie sie es im Moment eben ist, das sagt ihr niemand. Dass für sie eine Welt zusammengebrochen ist, das glaubt ihr keiner außer sie selbst.
Trauer ist ein Teil des Lebens. Ob und wie sehr eine Person über etwas trauert, das entscheidet sie alleine. Niemand hat etwas mitzureden, denn es sind ihre Gefühle, es sind ihre Themen, es ist ihre Welt.
Wenn du also in einer Situation der Trauer bist, dann sei es dir wert, genauso zu trauern, wie es sich für dich richtig anfühlt. Schenke dir deine Aufmerksamkeit, deine Zeit, deine Intensität. Gib dir dein Verständnis für deine Situation und deine Trauer und verurteile dich nicht dafür.
Mach das Gegenteil – öffne dich! Öffne dich für all deine Gefühle, öffne dich für die Wolken, die über dich hinwegziehen mögen und gehe ins Vertrauen, dass hinter den Wolken die Sonne auf dich wartet.
Ein Regenguss braucht seine Zeit – egal wann und egal wie lange. Egal, ob es eh schon seit einer Woche regnet und wir eigentlich kein Wasser mehr brauchen im Moment. Er nimmt sich seine Zeit und ist dann fertig, wenn es für ihn genug ist.
Unsere Protagonistin Johanna ist auch dann fertig mit dem Trauern, wenn es für sie genug ist. Und das ist dann auch der Moment, indem sie sich wieder öffnen kann für die Sonne und ihre Strahlen. Denn den Regenschirm vorzeitig und erzwungenermaßen zuklappen stoppt den Regen auch nicht…